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Internationaler Gerichtshof für Tierrechte

Urteil

11. März 2002

gegen Politiker, Beamte, Verbandsvertreter und Unternehmer

der Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft und Polens

wegen

Tierquälerei, schwerer Verstösse gegen die Würde von Tieren

und der Missachtung des Tierschutzrechts 

<http://www.ffw.ch/>

I. Tatsächliche Feststellungen

Der Internationale Gerichtshof für Tierrechte, bestehend aus einer internationalen Jury von 11 Mitgliedern und 3 Richtern stellt fest,


dass sich das Los der Schlachttiere seit der Realisierung der Europäischen Gemeinschaft, heute Europäische Union, generell verschlechtert hat,


dass die verantwortlichen Behörden offensichtlich unfähig oder zu bequem sind, die Schlachttiere selbst vor den schlimmsten Auswüchsen menschlicher Grausamkeit zu schützen oder die zu ihrem Schutz aufgestellten Bestimmungen durchzusetzen,


dass in zahlreichen Schlachthäusern Europas Tiere ohne ausreichende oder ohne jegliche Betäubung geschlachtet und bei vollem Bewusstsein zerlegt werden und dadurch unvorstellbare Qualen erleiden,


dass die verantwortlichen Behörden das unmenschliche und illegale Treiben von Produzenten, Händlern und Transporteuren stillschweigend oder gefällig dulden, während sie dem unermüdlichen Kampf zahlloser Schutzorganisationen um ein besseres Los der Schlachttiere gleichgültig zusehen,


dass die europäischen Behörden durch ihr Verhalten den Schlachttieren gegenüber zur um sich greifenden Entmenschlichung und Verrohung der Gesellschaft massgebend beitragen,


dass das Schächten von Tieren unter dem Vorwand der Religions- und Glaubensfreiheit immer grössere Verbreitung findet, obwohl den Tieren dabei unvorstellbare psychische und physische Leiden zugefügt werden,


dass die Agrarpolitik der Europäischen Union von Grund auf tierfeindlich ist: die Schlachttiere werden als Wegwerfware behandelt, sie werden auf widernatürliche Weise durch künstliche Besamung massenhaft ins Leben gezwungen, in Tierfabriken auf engstem Raum qualvoll gemästet – ohne Rücksicht auf die vorhandene Nachfrage, was zur Folge hat, dass Millionen lebend ins Ausland exportiert oder im Inland vernichtet werden.
II. Schuldsprüche



Aufgrund der heutigen mündlichen Verhandlung und der erfolgten Beweisaufnahme erklärt das Gericht für schuldig:

1. Herrn Dr. Franz Fischler, Mitglied der Europäischen Kommission, Kommissar für Landwirtschaft.
Fischler trägt die Hauptverantwortung für die tierfeindliche Agrarpolitik der Europäischen Union. Er war es, der zum Zwecke der Marktbereinigung die Vernichtung von Millionen von Rindern initiierte. Auch für die Tötung von hunderttausenden nur wenige Tage alter Kälber zur Erlangung der "Herodesprämie" (Vernichtungsprämie) ist er verantwortlich; ebenso für die Subventionierung der qualvollen Exporte lebender Tiere in aussereuropäische Länder.

Das Gericht fordert deshalb Herrn Kommissar Fischler auf, zurückzutreten und seine Verantwortung an die Kommission zurückzugeben.

2. Mr. David Byrne, Member of the European Commission.
Byrne trägt die Hauptverantwortung dafür, dass während der Maul- und Klauenseuche des Jahres 2001 Millionen gesunder Tiere vernichtet wurden, weil einige wenige von der Seuche befallen waren und die europäische MKS-Verordnung eine Impfung gegen MKS untersagte.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig:

3. Agrarminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weil sie den Vollzug der im Rahmen der EG-Richtlinien möglichen nationalen Tierschutzbestimmungen vernachlässigt haben. Personalmangel, auf den sich die Minister und ihre nachgeordneten Behörden berufen, ist kein Entschuldigungsgrund für die Duldung der brutalen Behandlung der Tiere.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig:

4. Herrn Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes und Vorsitzender des Europäischen Bauernverbandes.
Sonnleitner trägt als führender Verbandsfunktionär eine erhebliche Mitverantwortung für die Entwicklung der Grossstrukturen der europäischen Landwirtschaft, die nicht nur tierfeindlich, sondern auch bauernfeindlich ist und zum Untergang hunderttausender kleiner und mittlerer Betriebe geführt hat.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig:

5. Die Inhaber von Massentierhaltungen, in denen Rinder, Schweine und Hühner ein trostloses Dasein führen, insbesondere die Inhaber von Legebatterien, wo den Tieren unsägliches Leid zugefügt und junge Küken zu Millionen als Ausschussware getötet werden.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig:

6. Landwirtschaftsminister a.D., Jean Glavany, und Daniel Canepa, Präfekt des Departements des Var. Unter ihrer Verantwortung wurden Stierkampfarenen zu öffentlichen Schlachthöfen, in denen sich blutgierige Voyeure an der Folter der Tiere ergötzen.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig

7. Mag. Herbert Haupt, sowie Landeshauptmann Josef Pühringer und Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer (Oesterreich). Sie sind verantwortlich dafür, dass in österreichischen Tiermastbetrieben und Schlachthöfen monströse Tiergreuel stattfinden können, deren Urheber vor gerichtlicher Verfolgung geschützt werden.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig :

8. Rt. Hon. Margaret Becket. Sie ist für die Wiederaufnahme der berüchtigten britischen Lebend-Exporte in den Mittleren Osten verantwortlich, wo die Schlachttiere einen grausamen Tod erleiden. Sie ist verantwortlich für die Weiterführung der tierquälerischen Batteriehaltung für Schweine und Geflügel in Grossbritannien,

Weiter erklärt das Gericht für schuldig :

9. Polnische und EU-Beamte, die systematische Urkundenfälschung betreiben, um den in die EU-Länder exportierten polnischen Schlachttieren eine EU-konforme Identität zu verleihen und damit die Gesundheit der Konsumenten aufs schwerste gefährden. 

Weiter erklärt das Gericht für schuldig :

10. Annemie Neyts, belgische Landwirtschaftsministerin. Sie toleriert auf belgischen Schlachtviehmärkten bestialische Greuel und toleriert, dass die kriminellen Urhebern von den belgischen Gerichten geschützt werden.

Weiter erklärt das Gericht für schuldig :

11. Miguel Arias Canete, spanischer Landwirtschaftsminister. Er ist verantwortlich für skandalöse Zustände bei Lebendtransporten in Spanien. Er ist namentlich auch dafür mitverantwortlich, dass die für die Schlachttiere katastrophale Subventionspolitik der EU trotz europaweiten Protesten weitergeführt wird.

III. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

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Das Gericht fordert die Europäische Kommission und das Europäische Parlament auf, dafür zu sorgen, dass der Tierschutz als eigenständiges Gemeinschaftsziel in den EG-Vertrag aufgenommen wird und entsprechende Gestaltungskompetenzen geschaffen werden.

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Des weiteren verlangt das Gericht, den Tierschutz als Staatsziel in die kommende europäische Verfassung aufzunehmen und für die Tiere ein durch Tieranwälte einklagbares Grundrecht auf die Beachtung ihrer Würde, auf ein artgerechtes Leben und auf einen angst- und schmerzfreien Tod einzuführen.

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Schliesslich fordert das Gericht bei der Europäischen Kommission die Einrichtung eines eigenen Kommissariats für Tierschutz, bestehend aus Vertretern europäischer Tierschutzorganisationen.

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Das Gericht fordert vermehrte unangekündigte, amtliche Visitationen der Mastbetriebe und Schlachthöfe sowie die Intensivierung der Überwachung der Tiertransporte. Um grössere Transparenz zu erzielen, verlangt das Gericht, in Schlachthöfen und Grossmästereien Video- oder Webcam-Ueberwachung zu installieren, die eine Missachtung des geltenden Tierschutzrechts nachweisbar machen.

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Das Gericht fordert zum dritten Mal seit 1993 das sofortige europaweite Verbot der grenzüberschreitenden Lebendtransporte und zu diesem Zweck die Abschaffung der ominösen Exportsubventionen.

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Das Gericht besteht darauf, dass die Schlachttiere prinzipiell im nächstgelegenen Schlachthof geschlachtet werden müssen. Wo diese fehlen, müssen Schlachtmobile beigezogen und deren Einsatz auf EU-Ebene anerkannt werden.

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Der Gerichtshof verurteilt kategorisch die barbarische Schlachtmethode des Schächtens und verlangt, dass sie in jedem zivilisierten Land verboten wird. Religions- und Glaubensfreiheit, mit der argumentiert wird, muss ethisch vertretbar sein, sie kann nicht auf der Folter hilfloser Mitgeschöpfe basieren.

Ganz prinzipiell hält der Gerichtshof fest, dass die Methoden der industriellen Massenproduktion keinesfalls gegenüber empfindungsfähigen Lebewesen angewendet werden dürfen, ebensowenig wie Fliessband- und Akkordarbeit anlässlich der Schlachtung. Die Aufzucht jedes einzelnen Tieres ist für den Menschen mit Verantwortung verbunden, jede einzelne Schlachtung ist ein ernster und schwerwiegender Akt, der mit Sorgfalt und Achtung und individuell ausgeführt werden muss. Der heute praktizierte Umgang mit Nutztieren entbehrt nicht nur der minimalsten Ethik, er ist auch in höchstem Mass naturwidrig und daher gefährlich für die Gesundheit des Menschen und zerstörend für die Umwelt. Deshalb werden die EU und alle anderen Länder Europas aufgerufen, den Umgang mit den Nutztieren im Sinne obiger Kriterien von Grund auf neuzugestalten.

Da der Umgang des Menschen mit den Tieren zu den fundamentalsten Prinzipien der Sittlichkeit gehört, besteht der Gerichtshof darauf, dass die Fleischwirtschaft durch Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen europaweit einer dem Erziehungswesen nahestehenden Ethikkommission unterstellt wird.

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Der vollständige und begründete Gerichtsentscheid wird in nützlicher Frist den schuldig befundenen Parteien zugestellt. Außerdem wird er an die Kommission der EU, den Europarat, die UNO, die UNESCO, an die parlamentarischen Versammlungen der angeklagten Länder sowie an zahlreiche Natur- und Tierschutzorganisationen geschickt.

INTERNATIONALER GERICHTSHOF FÜR TIERRECHTE

Genf, 11 März 2002




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